Archiv für den Monat: September 2020

Stellungnahme zum Entwurf des 8. MÄStV HSH: Bedarfsgerechte Förderung & Anerkennung Freier Radios in SH

Anlässlich der geplanten Änderung des Medienstaatsvertrag für Hamburg und Schleswig-Holstein zum April 2021, fordern die Freien Radios in Schleswig-Holstein und in Hamburg deutliche Nachbesserungen des vorliegenden Entwurfs.

Als derzeit einzige lizenzierte nichtkommerzielle Lokalradios (NKL) in Schleswig-Holstein, haben sich das Freie Radio Fratz in Flensburg und FRN 100,8 in Neumünster in dieser Woche an der Anhörung zum achten Medienänderungsstaatsvertrag (8. MÄStV HSH) mit einer gemeinsamen Stellungnahme beteiligt. Das FSK – das Freie Sender Kombinat in Hamburg hat ebenfalls eine Stellungnahme abgeben.

Die von der Behörde für Kultur und Medien in Hamburg und der Staatskanzlei Schleswig-Holstein vorgeschlagenen Änderungen des gemeinsamen Medienstaatsvertrags zum 1. April 2021 soll dem Landtag in Schleswig-Holstein und der Hamburgischen Bürgerschaft zum Jahreswechsel 2020/21 zugeleitet werden.

Ein Mediengesetz in dieser Form verhindert aus unserer Sicht weiterhin eine auskömmliche, bedarfsgerechte Finanzierung der neuen nichtkommerziellen Lokalradios in Schleswig-Holstein, es sieht erneut keine Anerkennung der nichtkommerziellen Lokalradios als Bürgermedien vor und verhindert nach wie vor die Gründung freier Radios an weiteren Standorten.

Wir möchten alle Verantwortlichen auffordern, sich im Gesetzgebungsverfahren für die Belange der Freien Radios einzusetzen.

Wir veröffentlichen hier die Stellungnahme von FRN 100,8 und Radio Fratz vom 23. September 2020:

 

Die auskömmliche, bedarfsgerechte Finanzierung nichtkommerzieller Lokalradios endlich sicherstellen und die Freien Radios als Bürgermedien anerkennen.

Ein Mediengesetz in dieser Form verhindert weiterhin eine auskömmliche, bedarfsgerechte Finanzierung der neuen nichtkommerziellen Lokalradios in Schleswig-Holstein, es sieht erneut keine Anerkennung der nichtkommerziellen Lokalradios als Bürgermedien vor und verhindert nach wie vor die Gründung freier Radios an weiteren Standorten. Bereits 2014 (5. MÄStV), 2016 (6. MÄStV) und 2017 (7. MÄStV) haben wir zu den öffentlichen Anhörungen auf diese Punkte hingewiesen und wurden dabei vom Bundesverband Freier Radios (BFR), der europäischen Sektion des Weltverbandes Freier Radios (AMARC Europe) und dem Community Media Forum Europe (CMFE) unterstützt. Alle bisherigen Stellungnahmen können Sie hier nachlesen: www.freie-radios-sh.org

 

Finanzierung nichtkommerzieller Lokalradios an realen Bedarf koppeln

Im Entwurf fehlt erneut eine Regelung zur Finanzierung nichtkommerzieller Lokalradios aus den Zuweisungen der Rundfunkbeiträge, der sich am Finanzbedarf Freier Radios orientiert und zu einer langfristigen Existenzsicherung beiträgt, so wie sie bereits dem Hamburgischen Bürger- und Ausbildungskanal und dem Offenen Kanal Schleswig-Holstein ermöglicht werden. Zur Erinnerung: Werbung und Sponsoring zur Finanzierung ist nichtkommerziellen Lokalradios gesetzlich untersagt, eine auskömmliche Finanzierung nur aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen ist aber illusorisch.

Die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein (MA HSH) fördert die nichtkommerziellen Lokalradios derzeit aus den ihr zugewiesenen Mitteln (3,2 % von 32 % des Rundfunkbeitragsanteils laut § 55 Absatz 2), auf Grundlage ihrer geltenden Richtlinie für die Förderung nichtkommerzieller lokaler Rundfunkveranstalter und lokaljournalistischer Projekte vom 27. April 20171. In den Aufgaben des Medienrats (§ 39 Absatz 14) ist keine Konsultation oder Mitbestimmung an der Ausgestaltung von Förderrichtlinien durch die nichtkommerziellen Lokalradios vorgesehen.

Derzeit werden mit dieser Richtlinie ausschließlich die Infrastruktur des terrestrischen Sendebetriebs über UKW (Leitungskosten, Kosten für Standort-, Sender- und Antennennutzung) gefördert und die anfallenden Entgelte für Urheberrechtsabgaben an die GEMA und GVL übernommen. Nachrangig könnte auf Antrag eine Förderung für Ersatz und Ergänzungsbeschaffungen von Produktions- und Sendetechnik gewährt werden.

Im Medienstaatsvertrag bedarf es deshalb einer bedarfsorientierten Erhöhung der prozentualen Zuweisungen an die Medienanstalt für die Förderung nichtkommerzieller Lokalradios, die etwa auch die Übernahme von Online-Verbreitungskosten per Internet-Livestream und die Vorhaltung einer Mediathek, Versicherungskosten, Personal-, Honorar-, Miet- und Nebenkosten, die Kosten der Verwaltung, Sachkosten zur Öffentlichkeitsarbeit und regelmäßige Angebote zur Stärkung der Medienkompetenz zum Ziel der Förderung macht.

Hintergrund für diese Forderung sind die Auswirkungen der bestehenden Regelungen. Als nichtkommerzielle Lokalradios sind wir in Flensburg und in Neumünster nach Auslaufen der Anschubfinanzierung der Medienstiftung Hamburg Schleswig-Holstein selbst nicht in der Lage, diese anfallenden Kosten in vollem Umfang zu tragen, und sind zusätzlich auf kommunale Förderungen angewiesen, die nur einen Teilbedarf (v.a. Raumkosten) abdecken können.

Im vorliegenden Entwurf des 8. MÄStV im Punkt 13 b soll der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein künftig im § 38 ermöglicht werden, Förderungen zur Unterstützung des privaten Rundfunks aus Bundes- und Landesfördermitteln vornehmen zu können. Wenn der nichtkommerzielle Rundfunk hier nicht bereits inbegriffen ist, sollte dieser präzisierend ergänzt werden. Damit könnten auch Förderungen aus dem Landeshaushalt zur Finanzierung der nichtkommerziellen Lokalradios verwendet werden. Die Landesregierung macht davon bisher keinen Gebrauch, da der Haushaltsposten “Sicherstellung der Arbeit der Lokalradios“ (siehe pdf-Datei auf Seite 12 Posten 03 01 Titel 685 03 FKT 011) als Leerposten bislang keine Mittel zugewiesen bekommen hat.

 

NKL als Freie Radios endlich als Bürgermedien anerkennen

Für eine medienrechtliche Anerkennung der neu entstandenen nichtkommerziellen Lokalradios in Schleswig-Holstein und der bestehenden in Hamburg als Bürgermedien bedarf es aus unserer Sicht einer Ergänzung der aktuellen Regelungen zum Hamburgischen Bürger- und Ausbildungskanal und zum Offenen Kanal Schleswig-Holstein (§ 33 bis § 36). Wir plädieren dafür, den bestehenden § 34 (Trägerschaft) in § 33 zu integrieren, da sich beide Paragraphen auf den Hamburgischen Bürger- und Ausbildungskanal beziehen. Ein neuer § 34 sollte stattdessen „Nichtkommerzielle Lokalradios“ einführen. Funfact am Rande: Die nichtkommerziellen Lokalradios in Schleswig-Holstein senden zurzeit an Standorten, an denen kein Programm des Offenen Kanal Schleswig-Holstein ausgestrahlt wird.

Nichtkommerzielle Lokalradios oder auch Freie Radios gehören durch ihren Charakter der Nichtkommerzialität, der Zugangsoffenheit, der Förderung von Medienkompetenz und als lokales Medium eindeutig zum Sektor der sogenannten Bürgermedien bzw. Community Media. Bundesweit gibt es mehr als 30 Freie Radios, die sich im Bundesverband freier Radios BFR zusammengeschlossen haben.

 

Freie Radios überall

Die mit dem 5. MÄStV 2014 eingeführte Legalisierung des Lokalfunks in Schleswig-Holstein betrifft nach wie vor nur fünf Standorte, an denen mittlerweile zwei kommerzielle und zwei nichtkommerzielle Radios entstanden sind, für den fünften Standort fand sich kein Bewerber.
Das Lokalradioverbot bleibt daher in weiten Teilen des Landes bestehen. Wir plädieren dafür, mindestens die Beschränkung der Anzahl der nichtkommerziellen Standorte im § 28 a aufzuheben und nichtkommerzielle Lokalradios an allen Standorten in Schleswig-Holstein zu
ermöglichen, wo dies technisch realisierbar ist und wo ein Bedarf besteht bzw. Initiativen bereits existieren.

 

UKW erhalten

Die starke Verkürzung bei künftigen Lizenzierungen der UKW-Verbreitung von zehn auf drei Jahre bei landesweiten Sendern setzt ein falsches Signal zuungunsten einer analogen terrestrischen Verbreitung des Hörfunks in Schleswig-Holstein. Solange dazu keine bundesweit einheitliche Regelung getroffen wurde und die MA HSH bereits Lizenzen bis ins Jahr 2031 (landesweit) oder bis 2032 (Hamburg) erteilt hat, besteht aus unserer Sicht hier
kein Handlungsbedarf für eine Veränderung der Zeiträume.

Neumünster/Flensburg, am 23. September 2020

>>> Download der Stellungnahme als pdf-Datei